NEUE WESTFÄLISCHE
DATUM: 29.11.2023
AUTORIN: ALEXANDRA STRATMEIER
NW.DE
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KAFKA AUF DER KULTURDEELE
In Dreyen wurde die Erzählung „Forschungen eines Hundes“ aufgeführt. Als Requisiten gab es nur einen Koffer und 47 Einmachgläser mit Gurken.
ENGER. Mit seiner Theater-Solo-Performance der „Forschungen eines Hundes“ beeindruckte der Bielefelder Schauspieler Jörg Schulze-Neuhoff am Wochenende das Publikum der kultig-gemütlichen Bauernhaus-Bühne von Holger Grabbe und Wera Kiesewalter. Die grotesk-kafkaesken Parallelen zu Themen unserer Gegenwart stimmten nachdenklich.
„Wir machen das Licht jetzt aus und warten auf den alten Hund“, mit diesen Worten begrüßte das Gastgeber-Duo Holger Grabbe und Wera Kiesewalter das zahlreich erschiene Publikum. In der Kulturdeele in Dreyen wurde Franz Kafkas Erzählung „Forschungen eines Hundes“ aufgeführt. Schauspieler Jörg Schulze-Neuhoff war in die Rolle des Fabelcharakters eines alten, paranoiden Einzelgänger-Hundes auf der Erkenntnissuche geschlüpft.
Der „Hund“ berichtet in der gut anderthalbstündigen Solo-Aufführung von seinen vergeblichen, lebenslangen Forschungen über die grundlegenden Fragen der Hundeschaft. Jörg Schulze-Neuhoff überzeugte mit großartigem schauspielerischen Talent sowie einem Minimum an Kostüm und Bühnenbild.
Der erzählende Hund kann immer nur einen segmenthaften und verzerrten Ausschnitt der Welt registrieren. „Hast du den Fraß im Maul, so hast du für diesmal alle Fragen gelöst“, beruhigt er sich – eine saure Gurke schlingend – angesichts vieler offener Fragen zum Sinn des Seins immer wieder. In dem ursprünglich 1922 entstandenen und von Kafkas Freund Max Brod postum veröffentlichten Titel Kafkas scheitert die Hauptfigur der Geschichte an ihrer eingeschränkten Sicht, am Fehlen vieler realer Fakten sowie mangelndem übergeordneten Wissen.
Max Brod hatte die erst nach dem Tod Franz Kafkas veröffentlichte Tiergeschichte einst als „melancholische Travestie des Atheismus“ bezeichnet. So wie der Hund den Menschen nicht oder nur lückenhaft erkenne, so erkenne auch der Mensch Gott nur kaum und nur schemenhaft. Nicht einmal die ganze vielfältige Beschränkung seiner Freiheiten vermag der Hund zu erkennen.
Das Duo Jörg Schulze-Neuhoff, der bereits bei vielen Film- und Theaterprojekten mitwirkte, und Regisseur Stefan Meißner aus Bielefeld, hat seit dem Beginn ihrer Zusammenarbeit 2011 mit „Götz“, „Judith“, „Woyzeck“ und „Der Bau“ Werke von Goethe, Hebbel und Büchner sowie auch von Kafka erarbeitet und inszeniert.
WESTFALEN-BLATT
DATUM: 27.11.2023
AUTORIN: DANIELA DEMBERT
WESTFALEN-BLATT.DE
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Unmittelbar und authentisch
„Forschungen eines Hundes“ auf der Kulturdeele Dreyen – Ein-Mann-Inszenierung mit Jörg Schulze-Neuhoff
ENGER (WB). Es ist eines der weniger beachteten Werke Franz Kafkas, dessen sich Stefan Meißner und Jörg Schulze-Neuhoff angenommen haben: „Forschungen eines Hundes“. Mit einer Ein-Mann-Inszenierung waren die beiden zu Gast auf der Dreyener Kulturdeele.
Im Allgemeinen hat der Hund es gut: Er frisst und trinkt, spielt und schläft, gibt sich seiner Fellpflege hin und markiert sein Revier. Was aber, wenn er keine Geborgenheit durch sein Rudel erfährt?
Bereits zum vierten Mal gastierte das Duo auf Hof Grabbe in der Kulturdeele von Wera Kiesewalter und Holger Grabbe und hat sich dort längst eine Fangemeinde aufgebaut. So war die aufgeheizte Deele mit etwa 50 Besuchern auch diesmal propevoll belegt.
Minimalistisch sind Bühnenbild und Requisiten, für Akzente sorgen wohlplazierte Lichtquellen. Mehr bedarf es auch nicht. Schauspieler Jörg Schulze-Neuhoff ist ein Mime mit unglaublicher Bühnenpräsenz. Authentizität ist seine Stärke, selbst in der Absurdität. Schnuppernd erkundet er die kleine Bühne, hebt das Beinchen hier und dort, rollt sich wohlig grunzend auf dem Rücken und schnappt selbstvergessen nach Leckerchen.
Das Publikum schmunzelt. Verstörend und grotesk wirken kurz darauf die Erinnerungen des Tieres an seine Jugend, an dem Moment, in dem er im Wald auf sechs Artgenossen trifft, die sich wider ihrer Natur verhalten. Der Hund erkennt: Auch er kann sich dem Zwang seiner Spezies nicht entziehen. Der Drang gefügig zu sein, ist zu groß. Von rechts nach links stakst Schulze-Neuhoff wie ferngesteuert um bunten Diskokugellicht zu ohrenbetäubender Marschmusik. Grotesk, nervend, entblößend.
Ist der Hund einer höheren Macht untergeben? Ist es möglich, dass die an Arten, Eigenschaften und Talenten vielfältigen Spezies der Welt ihr Naturell aus Bequemlichkeit verraten hat?
Schauspieler Jörg Schulze-Neuhoff bei der Aufführung auf der Dreyener Kulturdeele | Foto: Daniela Dembert
Schulze-Neuhoff ist Hund durch und durch. Im einen Moment geifert er ungeduldig Häppchen hinterher, leckt sich ungeniert und gierig die Pfoten, im nächsten erleidet er den Schmerz der Ungewissheit, fühlt sich einsam, ist eine verwahrloste, zusammengekauerte Kreatur.
„Genauso toll wie das erste Stück der beiden, das wir hier gesehen haben. Unbeschreiblich, richtig Klasse“, zeigt sich Besucherin Monika Wortmann begeistert.
„Sehr gern“, widmet sich Regisseur Stefan Meißner den Werken Kafkas. „Franz Kafka war sehr humorvoll, auch wenn sein Image gemeinhin ein anderes ist.“ Regisseur und Darsteller gelingt einmal mehr eine Kafka-Inszenierung, die die literarischen Stärken des großen deutsch-tschechischen Autoren aufgreift und in Szene setzt. Nicht stilisiert. Unmittelbar, authentisch.
Neben „Forschungen eines Hundes“, mit dem das Duo erst vor drei Wochen Premiere feierte, bringen Schulze-Neuhoff und Meißner derzeit mit „Judith“ nach Friedrich Hebbel einen weiteren Klassiker auf die Bühne. Weitere Infos unter www.spielkollektiv.de.
KUNSTRASEN. BIELEFELDS KULTURMAGAZIN
AUSGABE: NR. 5 2022/23
AUTORIN: STEFANIE GOMOLL
KUNSTRASEN-MAGAZIN.DE
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STIMMEN AUS DEM OFF
DIE NÄCHSTE GENERATION
WENN DIE NÄCHSTE WELLE ANRAUSCHT, MAG DAS GERADE NIEMAND HÖREN. DOCH IN DIESEM FALL IST DAS ETWAS POSITIVES. AUF DIE ERSTE WELLE DER THEATERGRÜNDUNGEN IN DEN 80ER UND 90ER JAHREN FOLGT NÄMLICH GERADE EINE ZWEITE. UND SO GESELLEN SICH ZU AKTEUREN WIE ALARM- ODER TROTZ-ALLEDEM THEATER GERADE EINIGE NEUE GESICHTER WIE DAS FEEDBACK KOLLEKTIV ODER DIE THEATERGRUPPE UBU. DIE NÄCHSTE GENERATION WÄCHST MAL INNERHALB DER BEREITS BESTEHENDEN STRUKTUREN – SO WIE BEIM THEATERLABOR – MAL GRÜNDEN SICH NEUE GRUPPEN WIE DAS SPIELKOLLEKTIV:B. STELLVERTRETEND FÜR DIE AUSGESPROCHEN VIELFÄLTIGE FREIE THEATERSZENE DER STADT STELLEN WIR DIESE BEIDEN VOR.
DIE WOLLEN NUR SPIELEN
DER NAME IST PROGRAMM. SPIELKOLLEKTIV:B BRINGT AUF DEN PUNKT, WAS DEN VIER KÜNSTLER*INNEN AUS DEN BEREICHEN SCHAUSPIEL, FILM UND PERFORMANCE WICHTIG IST: DAS PURE THEATERSPIEL, KEINE HIERARCHIEN UND GEFUNDEN HABEN SIE SICH IN „B“ WIE BIELEFELD.
Wie genau, lässt sich kaum entwirren. Zu vielfältig sind die Querverbindungen der umtriebigen Künstler*innen. Filmhaus, Jugendring und die Uni-Theaterszene sind nur einige der Orte, die sie in verschiedensten Konstellationen zusammengeführt haben. Angestoßen hat die Gründung des spielkollektiv:b dann letztlich der Fokus auf Themen, die alle vier reizen. Die Gruppe befasst sich mit den Stoffen klassischer Dramen und setzt sie mit aktuellen Themen einer digitalen Gesellschaft in Verbindung. „Klassiker sind meine Leidenschaft, weil sie eine Qualität und Bedeutung haben, die zeitlos ist“, erklärt Stefan Meißner. Bei einem Drama wie „Macbeth“ ist das besonders deutlich. „Es geht um Macht und um die Dynamik eines Paars, das über Leichen geht, um seine Ziele zu erreichen. Auf fast unheimliche Weise kommentiert der Klassiker unsere Gegenwart in Politik, Kultur und Gesellschaft“, so der Schauspieler und Regisseur. „Es hat ja einen Grund, dass wir uns diesen Stoffen heute noch nähern“, ergänzt Regisseur und Autor Carsten Panitz. „Als Stück über das Thema Depression hat uns auch ‚Hamlet‘ immer noch etwas zu sagen und jeder, der sich mal in einer Sackgasse gefühlt hat, findet sich dort ebenfalls wieder.“ Maxi Blasius resümiert: „Wir möchten das auf die Bühne bringen, was wir eh erleben.“
Große Stoffe also, die das spielkollektiv:b bewusst spartanisch und mit Mut zur Lücke inszeniert. „Man kann ‚Hamlet‘ mit einem Schauspieler und einem Plastikbecher als Requisite auf die Bühne bringen“, ist Carsten Panitz überzeugt. Und „Macbeth“ als One-Woman-Show, die Geschlechterrollen und -konzepte ganz bewusst immer wieder neu durchspielt.
„Es geht um die Essenz“, unterstreicht Laura Parker. „Dabei liegt der Fokus ganz auf dem Spiel. Es ist toll, so intensiv an Rollen zu arbeiten, wie ich es mir auf der Schauspielschule immer vorgestellt habe.“
Der Minimalismus hat noch einen weiteren Vorteil: Das Kollektiv braucht keine große Bühne, kann fast überall auftreten.
Ob im Movement Theater oder im Nr. z. P., aber auch auf Tour in anderen Städten. Allerdings sind die Künstler*innen auf der Suche nach einem Probenraum. Den gäbe es bei einer Festanstellung quasi gratis dazu. Doch sowohl Laura Parker als auch Maxi Blasius möchten ganz bewusst frei arbeiten. Beide sind mit der Welt auf und hinter der Bühne — Mutter Schauspielerin bzw. Vater Opernsänger — seit ihrer Kindheit vertraut. „Aber ich habe früh gemerkt, dass mich das männlich-hierarchische Theater nicht interessiert — und die Arbeitsstruktur auf großen Bühnen reproduziert jeden Tag Hierarchien“, ist Maxi Blasius überzeugt. „Da haben sich die Richtigen gefunden“, lacht Laura Parker. Miteinander statt Macht auszuüben, ist eben eine Devise, die das gesamte Kollektiv verbindet. Wie gut das funktioniert, beweist die Produktivität der Gruppe. Dass sie so kurz nach der Gründung im letzten Jahr gleich mit zwei ShakespeareStücken und außerdem noch „Judith/Holofernes“ und „Der Sandmann“ am Start ist, ist kein Zufall. Die Pandemie legte sie zwar in Bezug auf Auftritte lahm, doch die Zwangspause und das NRW-Stipendienprogramm „Auf geht’s!“ haben sie genutzt, um Inszenierungen zu entwickeln. „Jetzt ist es Zeit, die Stücke aufzuführen“, freut sich Stefan Meißner.
Maxi Blasius …
kommt aus Berlin und hat an der Volksbühne bei Frank Castorf und Werner Schröter und an der Komischen Oper bei Jetske Mijnssen hospitiert. Darauf Studium der Erziehungswissenschaft und Philosophie in Bielefeld, freiberuflich in der Museums- und Medienpädagogik und Offenen Kinder- und Jugendarbeit tätig. Hospitierte am Theaterlabor Tor 6 und war Mitglied des Extra-Chors am Theater Bielefeld. Maxi Blasius spielt für das spielkollektiv:b das Solo „Hamlet“.
Laura Parker …
schloss 2009 ihre Ausbildung als staatlich anerkannte Schauspielerin am Europäischen Theaterinstitut Berlin ab, anschließend Weiterbildung zur Filmschauspielerin am ISFF Camera Actors Studio Berlin. Sie ist seitdem in Hannover, Berlin, Leipzig, Frankfurt und Bielefeld als freie Schauspielerin, Performerin, Stückeentwicklerin aktiv. 2021 realisiert sie zusammen mit dem Regisseur Sascha Schmidt das Theaterstück „Auf dem Kesselbrink. Seit 2020 ist sie Mitglied beim spielkollektiv:b und spielt hier das Solo „Macbeth“.
Carsten Panitz …
machte seinen Bachelor 2009 in English and American Studies und Literaturwissenschaften an der Universität Bielefeld mit einer Abschlussarbeit über Geschlechterrollen in den Filmen von John Carpenter. Nach einer Reihe von Kurzfilmen als Regisseur und Autor co-produzierte er den Spielfilm „Zwischen Sommer und Herbst“ 2008 von Daniel Manns. Zurzeit arbeitet er an verschiedenen Spiel- und Kurzfilmprojekten sowie Theaterproduktionen. Für das spielkollektiv:b inszenierte er den „Sandmann“.
Stefan Meißner …
hat in Bielefeld Geschichts- und Literaturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Theaterwissenschaften studiert. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum Theaterpädagogen, die ihn u. a. zum The Actors Space in Spanien führte. Zudem hospitierte er in der Dramaturgie des Theater Bielefeld. Seit 2011 arbeitet er hauptberuflich als freier Regisseur, Schauspieler und Theaterpädagoge. Für das spielkollektiv:b inszenierte er „Macbeth“ und „Hamlet“ und spielt das Solo „Der Sandmann“.
ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT
IN PHASEN DES UMBRUCHS STELLEN SICH OFT NAHEZU ZWANGSLÄUFIG DIE GANZ GROSSEN FRAGEN. SO GEHT ES AUCH DEM THEATERLABOR. „WOHER KOMMEN WIR UND WO WOLLEN WIR EIGENTLICH HIN?“, FORMULIERT ES INDIRA HEIDEMANN. ALS KÜNSTLERISCHE LEITERIN HAT SIE DIE POSITION DES THEATERGRÜNDERS SIEGMAR SCHRÖDER ÜBERNOMMEN UND LEITET DAS HAUS ZUSAMMEN MIT GESCHÄFTSFÜHRERIN CHRISTIN KIRSCH.
GEMEINSAM MIT DEM GESAMTEN TEAM HAT SIE DAS RENOMMIERTE FREIE THEATER IN DEN LETZTEN BEIDEN JAHREN NEU AUFGESTELLT.
Dabei bedeutet „neu“ keinesfalls eine Abkehr von den Wurzeln. „Wir haben uns viel mit den ursprünglichen Ideen des Theaterlabors beschäftigt“, unterstreicht Indira Heidemann. So sieht sich das Team eindeutig in der Tradition der Theaterlaboratorien, die durch Jerzy Grotowski, Eugenio Barba und eben Siegmar Schröder initiiert wurden. Und zwar hinsichtlich der „experimentellen“ Herangehensweise an theatrale Ausdrucksformen, als auch in Fragen der individuellen Entwicklung aller Beteiligten im Kontext des Kollektivs. „Wir möchten den Labor-Gedanken revitalisieren und haben gemerkt, dass das Theaterlabor für uns Arbeits- und Lebensraum zugleich ist. Das ist im Grunde praktizierte Philosophie“, bringt es Indira Heidemann lachend auf den Punkt.
Als ganz konkrete Säulen seiner Arbeit definiert das Theaterlabor künstlerische Produktionen, Projektarbeit, Pädagogik, Community und Gastveranstaltungen. Dabei überschneiden und beeinflussen sich diese Arbeitsfelder permanent. Angestoßen wurde der Neuanfang nicht nur durch personelle Veränderungen, insbesondere den Weggang Siegmar Schröders — sondern auch durch die Corona-Pandemie. Auf den ersten „Alarm Modus“ folgte schnell die Überzeugung, künstlerisch weitermachen zu wollen. „Aber dafür mussten wir unsere Fähigkeiten und Stärken so koordinieren, dass sie unserer Arbeit zugutekommen“, sagt Indira Heidemann. „So hat Corona eine Entwicklung angestoßen, die jetzt richtig Fahrt aufgenommen hat.“ Eine der Veränderungen: Wirklich alle Teammitglieder sind künstlerisch aktiv. „Das war vor zwei Jahren noch nicht abzusehen“, erklärt Thomas Behrend. Das Theaterlabor-Urgestein ergänzt. „Für mich ist es toll, die Energie aus der neuen Generation zu spüren. Wir sind alle starke Individuen, und dürfen uns auch mal reiben. Jeder und jede bringt seine eigene Künstlerpersönlichkeit mit deshalb gibt es uns schon so lange.“
Das Theaterlabor …
hat in seiner knapp 40-jährigen Geschichte immer wieder bahnbrechende Produktionen, Festivals und Projekte realisiert und damit die Theater-Welt verändert. Bekannt wurde Bielefelds renommiertes „Off“-Theater vor allem mit spektakulären Straßentheater Inszenierungen. Das Theaterlabor steht für ausdrucksstarkes, grenzüberschreitendes, experimentelles Theater. Heute arbeiten im Theaterlabor Theaterschaffende der Gründer*innengeneration gleichberechtigt mit Mitgliedern der zweiten, dritten und in Zukunft vierten Generation.
Als eigene Spielstätte dient seit dem Jahr 2000 das Tor 6 Theaterhaus, eine Produktionshalle auf dem Fabrikgelände des ehemaligen Nähmaschinenherstellers Dürkopp. Das Haus ist außerdem kultureller Veranstaltungsort für weitere lokale Akteure Theater Bielefeld, Kulturamt Bielefeld, NewTone, Ratsgymnasium. So reicht das Programm von experimentellem Theater über zeitgenössischen Tanz bis hin zu Konzerten, Kabarett und Comedy.
KRITIK-GESTALTEN
DATUM: 18.10.2022
AUTORIN: KATHI BRINKHOFF
KRITIK-GESTALTEN.DE
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MACBETH
KOMPOTT
DATUM: 30.07.2022
AUTORIN: LISA
WWW.KOMPOTT.ORG
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„SEIN ODER NICHT SEIN“
HAMLET IM NR.Z.P.
Sein oder nicht sein? Shakespeare, Rache, Könige und die Lektüre damals im Englisch-Unterricht. Das fällt euch vielleicht als Erstes zu Hamlet ein. Eine ganz besondere Perspektive auf dieses Meisterwerk zeigt das Spielkollektiv:b mit MAXI BLASIUS als einzige darstellende Person. Eine Inszenierung mit nur einem Menschen? Wie das gut funktioniert, zeigt das Künstler*innen-Kollektiv im Nr.z.P. bei der Premiere am vergangenen Mittwoch.
Ist die Welt ein Gefängnis? Oder machen unsere eigenen Gedanken die Welt erst schlimm? Horatio plagen diese Fragen nach Hamlets Tod. Gespielt von MAXI BLASIUS erzählt er seine Geschichte. Zunächst nur mit einer Lampe in der Hand und in einem ansonsten völlig dunklen Raum vor sich hin murmelnd:
„Da ist was faul“.
So beginnt Horatio, das Publikum durch alle Höhe und Tiefen seiner Geschichte voller Trauer, Verzweiflung und einem Hauch Wahnsinn zu tragen.
Horatio berichtet vom verstorbenen Hamlet, der mit einem Rache-Akt viele Menschen ins Unglück getrieben hat. Von seiner Mutter, die sich seiner Meinung nach viel zu schnell nach dem Tod seines Vaters wieder vermählt hat. Von seiner eigenen Rastlosigkeit und seinem Wunsch, die Dinge auf der Welt verstehen zu wollen.
Er lässt die Geister in seinem Kopf auferstehen.
Horatio spricht dabei auch mal mit seinen eigenen Händen oder mit einer Plastikplane. Dabei stellt er sich immer wieder Fragen über das Leben und den Sinn. Die Inszenierung von STEFAN MEIßNER zeichnet das Bild von einem Menschen, der durch Kriegserlebnisse, Konflikte und Schuldfragen fast zerbricht. Dabei gelingt ein Balanceakt:
Zwischen großer Trauer und ganz kleinen Momenten der Leichtigkeit.
Nicht zuletzt lebt die Inszenierung von dem Facettenreichtum von MAXI BLASIUS. Gefühlt kann MAXI 531 Stimmen und Gefühlslagen authentisch rüberbringen. Wahrscheinlich wäre deswegen auch ein Stück namens „Zerdrücken von Luftpolsterfolie“ mit MAXI BLASIUS als schauspielende Person eindrucksvoll und glaubwürdig. So lässt MAXI das Publikum in die Gefühlswelt von Horatio eintauchen und bekommt für diese Leistung selbstverständlich Standing Ovations von den Zuschauer*innen.